ScherzEngel-Michael
was bin ich wieder für ein Schelm (H.Erhardt)

1250 Jahre Lambsheim "Stationentheater"

Stationentheater

 

WIR ALLE SIND LAMBSHEIMER

Ein Dorfjubiläum. 1250 Jahre. Das heißt in der Pfalz in der Regel ein großes Fest. ETW (Esse, Trinke, Worscht) und ein historischer kostümierter Umzug von den Römern bis zum Mittelalter. Nicht so in Lambsheim.

 

Eine Projektgruppe von etwa 25 engagierten Bürgern, unter ihnen das "Theater am Türmchen", wollten ihr Jubiläum etwas anders feiern. Sie interessierten sich auch für diejenigen, die nicht schon immer und ewig in Lambsheim gewohnt haben, sondern irgendwann, aus irgendwelchen Gründen dorthin gekommen sind. Denn ganz Lambsheim, die Pfalz, ja Deutschland besteht aus Menschen, die nicht schon immer dort gelebt haben, sondern irgendwann zugereist sind. Eine Blitzumfrage zu Beginn des Projektes ergab, dass - mit einer Ausnahme - alle maximal erst seit einer Generation Lambsheimer sind.

 

Im Dreißigjährigen Krieg 1618 bis 1648 wurde die Pfalz verwüstet und entvölkert. Nur 20 Prozent der Bevölkerung blieb übrig. Es wurden Menschen aus Frankreich, der Schweiz und Italien angeworben, um sich hier anzusiedeln. Man kann das heute noch an vielen Familiennamen erkennen. Sie kamen und brachten neue Impulse, bereicherten das Leben, sie wurden Pfälzer.


Dieser Prozess des Gehens, Kommens und Bleibens hat bis heute nicht aufgehört. Zum Lambsheimer gehört der italienische Eisverkäufer ebenso wie die rumänische Erntehelferin, die polnische Altenpflegerin, Gastarbeiterfamilien der dritten Generation, der syrische Geflüchtete oder der Arbeiter am Bauhof mit türkischen Wurzeln.

 

(Auszug aus dem Begleittext zum Stück von den Autoren vom Chawwerusch Theater)

 

Station 1 - LAMBSHEIM, ICH MUSS DICH LASSEN... (1850, Geibhof in der Hauptstraße)
Wegen der seit 1844 grassierenden Kartoffelfäule, Missernten, Hungersnöten und Teuerungen in den Jahren 1846 und 1847 kämpfen in der Pfalz viele Familien ums Überleben. Zwischen 1832 bis 1877 wanderten insgesamt 1155 Menschen aus Lambsheim aus, die meisten nach Amerika. Wer gehen will, muss schuldenfrei sein und braucht eigentlich die kostenpflichtige Genehmigung der Gemeinde. Nicht jeder kann diese Voraussetzung erfüllen und deshalb machen sich viele bei Nacht und Nebel einfach davon. Damit verliert der Emigrant sein Heimatrecht und wird - wie man heute sagen würde - zum Wirtschaftsflüchtling, ohne Aussicht auf Rückkehr.


Station 2 - KOFFERFABRIK INTERNATIONAL (1975, Betriebsgebäude GAIA, früher Kofferfabrik in der Jahnstraße)
Die Lambsheimer Kofferfabrik, später Goldpfeil Kofferfabrik, war 44 Jahre lang (1948-1992) Arbeitsstätte von vielen Lambsheimern, vor allem von Frauen. Durch den Zuzug vieler Familien aus Sizilien in unseren Ort wurde die Belegschaft unter den Frauen "bunter". Allerdings wirkten sich Veränderungen in der internationalen Lederwirtschaft und der Arbeitswelt auch negativ auf die Kofferfabrik und ihre Mitarbeiter aus - mit Sortimentsänderungen, Fließbandarbeit, Arbeitszeitverkürzung ... bis zur Schließung der Kofferfabrik.

Station 3 - DIE JÜDIN UND DER BÜRGERMEISTER (1935-45, Scheune in der Marktstraße)
Das Vorbild für die Figur im Stück hieß Rosa Arnold, geb. Salmon, verheiratet mit einem Christen. Sie lebte während der ganzen NS-Zeit als Jüdin ,unangetastet" in Lambsheim. Auch die Geschichte der Schwägerin, die Emma Salmon hieß, ihrem Sohn und ihrer außerehelichen Tochter Ida ist an die Wirklichkeit abgelehnt. Der Bürgermeister hieß nicht Müller wie im Stück, sondern Mayer. Wir wissen über ihn, den Täter, wie häufig leider weniger als über Rosa. Die Begegnung zwischen ihr und dem Bürgermeister ist frei erfunden. Die Erzählung von Hannes und Liesel bezieht sich auf die Erzählung von Zeitzeugen, die als Kinder die Pogromnacht erlebt haben.

 

Station 4 - BEFREIER, SCHIEBER, HEIMATLOSE, HEIMKEHRER (1945-1948, Schlosshof Junkergasse)
Wir begleiten Frau llse Brauner, 40 Jahre, und ihre Nachbarin, die junge Suse Kess, 16 Jahre, in drei Bildern von der Befreiung bis zur Währungsreform. Frau Brauner war immer eine gute Volksgenossin, zwei Söhne und ihr Mann sind noch im Krieg. Sie schaut auf das eigene Fortkommen. Sie ist nicht bösartig, dreht aber Fähnlein nach dem Wind.

Suse Kess lebt bei ihrer Tante, sie ist ein junges Mädchen, das es durch den Krieg nach Lambsheim verschlagen hat. Sie und ihre Tante haben es geschafft, sich einen kritischen und menschlichen Geist zu bewahren.
Außerdem bevölkern die drei Bilder der Szene auch weitere unterschiedliche Gruppen: Soldaten (Amerikaner und Franzosen), Flüchtlinge und Heimkehrer


Station 5 - EINE HOCHZEIT UND EIN SCHEIDUNGSFALL (1951, Hof in der Hinterstraße)
Maxdorf hat seit seiner Namensgebung durch den Bayernkönig Maximilian Josef 1819 vielfache Anläufe unternommen sich von Lambsheim unabhängige Landgemeinde zu werden. Immer wieder wurden Eingaben gemacht und Vorbereitungen für eine "Scheidung" getroffen. In der Regel kamen die großen Kriege dazwischen.
Erst ab 1950 schien das Unterfangen Aussicht auf Erfolg zu haben. Im Oktober 1951 waren Vertreter der Bezirksregierung zu einem Ortstermin in Lambsheim/Maxdorf geladen. Für die Szene wurde in freier künstlerischer Gestaltung die Ereignisse auf einen Punkt zusammengeballt: Diskussion und Entscheidung. Die Männer - ausgenommen der Bräutigam - sind alle weg, und die Frauen müssen die Hochzeit bestreiten.


Station 6 - EPILOG "MIR SINN ALL LOMBSEMER" KOMMEN UND BLEIBEN (DURCH DIE ZEIT) FIGURENKALEIDOSKOP (in der Protestantischen Kirche)
Alle Figuren haben einen realen historischen Hintergrund. Hier kommen Menschen, die vom Grund ihres Kommens erzählen. Im Kostüm der jeweiligen Figur widerspiegelt sich die jeweilige Zeit und der Kulturkreis. Jede Figur ist unterwegs. Bei den meisten Figuren stammen die Texte aus den Interviews, die im Rahmen der Spurensuche geführt wurden. Trotzdem wurden auch diese Texte verdichtet und gestaltet.



 
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